Zum Hauptinhalt springen

Ganz Ohr

Mann spitzt die Ohren

Text: Elisa Holz | Agrobacter, PeopleImages, webphotographeer, Nikada, Jernej Graj / istockphoto, Universal Images Group North America LLC / Alamy Stock Foto

Ohrstöpsel im Club oder in der Disko? Echt peinlich. Leise Musik hören? Geht gar nicht. Gerade in jungen Jahren wird unser Gehör stark in Anspruch genommen. Auch deshalb sind immer mehr Menschen hörgeschädigt. Infos rund um das wichtige, empfindliche und leider unterschätzte Sinnesorgan Ohr.

Das Gehör ist eines unserer fünf Sinnesorgane. Im Gegensatz zu den Augen, die sich schließen lassen, können wir unsere Ohren nicht abschalten. Sie sind Tag und Nacht im Einsatz. Über hochsensible Haarzellen im Innenohr leiten die Ohren die empfangenen Schallwellen an das Gehirn, wo sie in Töne umgewandelt und mit Erinnerungen und Erfahrungen verknüpft werden. Ein gutes Gehör kann überlebenswichtig sein, schließlich kündigt es uns Gefahren wie ein nahendes Auto an, lange bevor wir es überhaupt sehen. Das Gehör ist ein soziales Organ: Insbesondere das Zuhören ist eine Fähigkeit, die für das menschliche Zusammenleben unabdingbar ist. Wer ein „offenes Ohr“ hat, gilt als besonders zugänglich.

Von Schnecken und Steigbügeln

Wenn von Wunderwerken der Natur die Rede ist, sollte jedem das Ohr vor das innere Auge treten. Äußerlich sind von diesem wunderbar komplexen Sinnesorgan nur die Hörmuscheln zu sehen. Im Inneren unseres Schädels befindet sich dann das eigentliche Ohr – und das in zweifacher Ausführung. Ins Innere des Ohrs geht es durch den Gehörgang, an dessen Ende die Schallwellen auf das Trommelfell treffen, das sie in Schwingungen umwandelt. Diese werden von den Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel (übrigens der kleinste Knochen des Menschen) ins Innenohr weitergeleitet. Dort befinden sich das Gleichgewichtsorgan und die Gehörschnecke, die wiederum die Schwingung in elektrische Signale umwandelt. Der Hörnerv leitet diese dann ans Gehirn weiter.

Lärm: Je länger, desto schlimmer.

Symbolbild Lautstärke im Club
Unser Gehör kann Lärm nur zeitlich begrenzt aushalten. Je lauter ein Geräusch ist, umso schneller nimmt unser Hörsinn Schaden. Durchschnittliche Lautstärke in Diskotheken, 100 Dezibel: maximal 3 bis 5 Stunden pro Woche.
Symbolbild Lautstärke von Silvesterböllern
Silvesterböller in unmittelbarer Nähe, 160 Dezibel: maximal 0 Sekunden pro Woche.
Händeklatschen
Lautes Händeklatschen in einem Meter Entfernung, 120 Dezibel: maximal 3 bis 5 Minuten pro Woche.
Musikhören über Kopfhörer
Musik über Kopfhörer, 80 Dezibel: maximal 40 Stunden pro Woche.
/

Auf die Ohren!

Obwohl unser Gehör so wichtig ist, zollen wir den Ohren häufig wenig Beachtung. Hören ist aber nur so lange eine Selbstverständlichkeit, bis die ersten Probleme auftauchen. Und die lassen in immer mehr Fällen nicht lange auf sich warten: Hörstürze, Ohrensausen oder Tinnitus sind die Folgen von Stress, schlechter Ernährung, zunehmender Lärmbelastung, aber auch einer längeren Lebenserwartung, denn auch die Ohren zeigen mit der Zeit „Verschleißerscheinungen“. Fast ein Drittel der Bevölkerung kämpft mit Hörproblemen. 19 Prozent der Bevölkerung sind tatsächlich hörgeschädigt – auch schon in jungen Jahren. Am Rande des Erträglichen, was Lärm betrifft, ist eine Belastung von 85 Dezibel an 40 Stunden in der Woche. Das ist in etwa die Lautstärke eines Küchenmixers. Mehr Lärmpegel sollte man den Ohren über einen längeren Zeitraum nicht zumuten. Ab über 120 Dezibel werden Schallwellen als Schmerz empfunden – und wirklich gefährlich.

Ton-Terror: Tinnitus

Tinnitus ist in unserer stressgeplagten Gesellschaft eine regelrechte Volkskrankheit. Rund 340.000 Menschen erkranken pro Jahr an dem nervenzerrüttenden und rein subjektiv empfundenen Pfeifen im Ohr. Tinnitus ist häufig Symptom psychosomatischer Probleme wie Depressionen, Lebenskrisen oder übermäßigem Stress. Manchmal entsteht das Ohrgeräusch auch als Folgeerscheinung anderer Erkrankungen. In der akuten Phase kann Tinnitus „geheilt“ werden. Als geheilt gelten allerdings auch Menschen, die das Geräusch nicht mehr als Belastung empfinden. Bis dahin ist es allerdings oft ein langer Weg, auf dem beispielsweise Verhaltenstherapien helfen können.

Infografik Aufbau des Ohrs
Der komplexe Aufbau des Ohrs in der Übersicht.

Hören, helfen, heilen

Der große und tragische Ludwig van Beethoven hätte heutzutage wahrscheinlich weniger unter seiner fortschreitenden Taubheit leiden müssen. Dank des medizinischen Fortschritts im Bereich Hörgeräte können auch schwerhörige Menschen noch ziemlich lang ziemlich viel hören. Prothesen können zerstörte Hörknöchelchen im Mittelpunkt ersetzen und sogar für eine nicht funktionierende Hörschnecke gibt es heute das so genannte Cochlea-Implantat. Diese spezielle Prothese kann sogar das Innenohr ersetzen. So können auch taub geborene Kinder hören lernen. Aber nicht bei jedem Pfeifen und Klopfen sollten gleich die Alarmglocken schrillen. Es gibt auch vergleichsweise harmlose Erkrankungen der Ohren, wie beispielsweise eine Mittelohrentzündung. Diese ist meist relativ schnell ausgeheilt.

Lieber leise: Lärmschutz

Es gibt einen ganz einfachen Ratschlag, um sich ein weitgehend gesundes Gehör bis in Alter zu erhalten: Man muss die Ohren vor Lärm schützen – und das auch schon in jungen Jahren. Vor den Boxen in der Disko tanzen oder die aktuelle Lieblingsplaylist immer auf maximaler Lautstärke über Kopfhörer im Ohr haben, ist keine gute Idee. Experten empfehlen auf Konzerten und in Clubs Ohrstöpsel zu tragen und beim Musikhören über Kopfhörer die Laustärke zu zügeln. Grundsätzlich gilt die 60-60-Regel: Maximal 60 Prozent der möglichen Lautstärke und das nicht länger als 60 Minuten am Stück. Unsere Ohren brauchen öfter mal eine Ruhepause. Deshalb sollte man zum Beispiel laute Räumlichkeiten in regelmäßigen Abständen für fünf Minuten verlassen. Lärmquellen wie Silvester-Kracher oder Trillerpfeifen sollten nach Möglichkeit ganz vermieden werden.